Die Wirklichkeit war gaaanz anders!

Es fing damit an, dass ich ja eigentlich seit dem 01.Mai eines jeden Jahres die Hauptfreizeit im Garten verbringe, also sozusagen ein Dauercamper ohne Zelt und Wagen bin. Und genau ab diesem Zeitpunkt bezahle ich auch meine Saisonfernsehgebühr an die Gebühreneinzugszentrale unseres Staates. Trotz des sch_sch_schlechten Wetters, ziehen einige die Sache durch. Ein echter Gärtner kennt keinen Schmerz und keine Kälte. Wenn die Prärie ruft, werden die Pferde gesattelt. Jedenfalls schloss ich die Gartentür einen Tag vor dem obengenanntan Termin hinter mir, um zu meinem Wigwam zu reiten. Wäschetausch, Nahrungsbeschaffung, E-Mail bearbeiten, eben alles das, was ein Indianer machen muss, zog ich durch.

Ich nahm mir vor, am nächsten Tag kurz nach sieben Uhr aufzustehen, da ich nicht verpassen wollte, die wichtigste Mahlzeit des Tages einzunehmen, meine Reisetasche musste ich noch packen, mein normaler Wochenendeinkaufszettel mußte geschrieben werden, Zähne putzen vor dem Essen, nach dem Essen und so weiter.

>>Warum so früh? Du hast doch Zeit! Mach nicht solche Hektik!<<

Wir hassen es beide, warten zu müssen. Warum also diese Bemerkung??? Der Arzt wartet vielleicht auch auf mich.
Na,egal.

Ich musste mich schon beeilen, pünktlich zu starten. Aber da nur wenige Fahrzeuge unsere sogenannte Westtangente in der gleichen, die Stadt durchquerende, Richtung befuhren, ging es doch recht flott, an mein Ziel zu kommen. Um 08.52 parkte ich, ca.70 Meter vom Hauseingang der Zahnarztpraxis entfernt, rückwärts ein. Da ich aber beim Aussteigen nicht in eine der, zur Zeit, „seltenen“ Pfützen treten wollte, hakte ich einmal hin und einmal her und stopp. Ich gebe zu, dass ich damit nicht unser aller Träume, mit den Rädern so nahe am Bordstein zu stehen, dass selbst ein Haar dazwischen klemmen bleiben würde, erfüllte, aber ich machte mir nichts weiter daraus. Ich stellte den Motor ab. Beim Handy ausstellen bemerkte ich im Augenwinkel einen Mann der schräg über den freien Platz kam, der unverständlicherweise nicht beparkt werden darf. Der Mann steuerte auf mich zu. Ich stieg aus und wurde von ihm mit den Worten begrüßt:

>>Na, das Einparken musst du wohl noch lernen!<<

Mich durchzuckte es. Meine Ohren kräuselten sich. Genau 40 Jahre Fahrpraxis zogen durch meinen Kopf. Davon 38 Jahre beruflich, täglich mit den verschiedensten Autotypen unterwegs. Und nun musste ich mir so etwas sagen lassen. Ich weiß nicht, ob er hörte, dass sich mein Schlucken mit einer Art Grunzen vermischte, aber das war mir egal. Ich brummte kurz ein >>Mmmmm<< und ging los, meinem verhältnismäßig nahen Ziel entgegen. Der Mann, der sich getraut hatte, die schlimmste Bemerkung, die ich je hören mußte, zu machen, begleitete mich. Er erzählte mir, dass er beruflich einen großen Sattelschlepper über die verschiedensten Baustellen jonglieren muss und es dabei auf jeden Millimeter ankommt und er das so toll macht. Darauf hin schlug ich ihm vor, mich doch dorthin mal einzuladen. Eine gute Idee meinte er und verschwand im nächsten Hauseingang. Noch später dachte ich zornig an diese Begebenheit und warum dieser, mir sehr unsympathisch Mann, nicht mit seinem kleinen PKW in meine Parklücke gefahren war, die sich fast vor seinem Hauseingang befand und statt dessen gegenüber parkte, wo es quer zur Fahrtrichtung vorgeschrieben ist und er den weiten Weg zurück legen musste. Ich fand keine Lösung. Mein Körper war angespannt.

Desto näher ich meinem Zahnarzt kam, desto mehr verstärkte sich das Gefühl, dass ich eben einen Albtraum hatte.

Ich konzentrierte mich auf das heutige Hauptthema. Ich hatte die Anmeldung erreicht.

>>Morgen.<< >>Morgen.<< >>Hab `n Termin.<<>>Gut.<<

Ich dreh mich um, um die Anzahl der Wartenden zu checken, suche einen mir angenehmen freien Platz aus, sage, obwohl ich genau weiß, dass kein Mensch antwortet „Morgen“. Meine einknickenden Kniee bringen mich in Sitzposition. Eine Frau und ein Pärchen saßen schon vor mir auf der Wartefläche. Kann ja nicht lange dauern, wenn man bedenkt, dass man einen Termin hat, nicht wir alle den gleichen Termin haben und es drei Zahnärzte sind, von denen ich zwei gesehen habe.

Meinen nicht!

Der behandelt gerade. Es kommen noch mehr Patienten. Rechts und links von mir füllen sich die Stühle. Und ich sitz hier und warte auf den Aufruf. Da auf einmal geht es los. Ein Aufruf folgt langsam dem anderen. die Leute rechts und links von mir erheben sich und steuern auf Behandlungszimmer zwei und drei zu. Und plötzlich kommt ein Ruf aus dem Zimmer eins. Aber nicht für mich. die Frau, die schon da saß, als ich kam ist dran. Oh, Mann! Es dauert aber nun nicht mehr „all zu lange“. dann bin ich dran. Inzwischen habe ich aber auch schon 40, in Worten: -vierzig-, Minuten dort gesessen.

>>Hallo.<< >>Hallo, dann woll`n wor ma`! Spritze, oder nich? Unten brauch`n wor keine, da wird`s nich so wehtun.<< >>Mmmh! Dann nehme ich eine.<< >>Gut.<<

Es ist jetzt kurz vor Mitternacht und die, die schon mal etwas von mir gelesen haben, wissen, was das bedeutet. Acht Kugeln sind es.

Es geht los. Er nimmt, assistiert von seiner Sprechstundenhilfe, die beruhigend eine Hand auf meine Schulter legt, falls es ganz aus Versehen doch zu einem unerwarteten, unerwünschten kleinen Schmerz kommen sollte, das Bohrgerät in die Hand, bohrt mir oben und unten die Zähne auf, die nach meiner Meinung eigentlich auf Hochglanz gebracht werden sollten. Rechts im Ohr das unangenehme Geräusch des Bohrers, links das unangeneheme Geräusch des Speichelsaugers. Nee, das hatte ich nicht erwartet. Nachdem alles wieder verschmiert und gespült ist, versuche ich, mich einigermaßen schmerzfrei, aus dem Stuhl zu hieven. wir verabschieden uns von einander und es stellt sich nicht die Frage:

>>Ob wir uns jemals wieder sehen?<<

Wir kennen beide die Antwort.