Situation 4

Selbe Personen, selbe Gartensparte

Ganz frisch, von heute!

Wir wollen zum 120igsten Geburtstag. Tja, da staunt man, was? Aber es ist kein Mensch, sondern unsere Lokalzeitung. Hier ein Ausschnitt einer der ersten Ausgaben des Jahres 1890:

Zeitungsausschnitt

Also packe ich ein paar Sachen, um nach Hause zu fahren. Meinen Funkklingelknopf drücke ich gar nicht erst an die eigens dafür konzipierte Klingelknopfhalterung, da ich ja gleich los will. Ich bin in der Laube und denke an nichts Böses (sagt ein Sprichwort). Es ertönt ein Ruf. Nicht zu laut und nicht zu leise. So laut, dass ich es hören musste, aber leise genug, dass es niemand anders hört.

„Haaalooh!“

„Haaalooh!“

„Jahaa!“

Ich ging raus. An der Terrasse stand deeer Gartennachbar. Er reicht mir die eine Hand zum Gruß und mit der anderen reicht er mir eine große Tomate mit der Bemerkung, dass das eine Tomate von der Sorte ist, über die wir gesprochen haben.

„Gut, ich koste mal.“ sage ich und überlege, wann wir überhaupt das letzte Mal beide über unsere konkurierende Pflanzen gesprochen haben. Es fällt mir nicht ein. Vor zwei Tagen hatte mir seine Frau erzählt, dass Sie durch Zufall entdeckt hatte, unter den von ihnen angebauten Sorten sei eine, deren Früchte nicht rot werden und trotzdem sehr gut schmecken. Nun ja ,kann ja sein. Es gibt ja auch gelbe und sogar schwarze Tomaten will man schon gesehen haben. Ich habe zum Beispiel bei einem Gartenversandhaus das immer BALD und nURgute Ware liefert, eine schwarzblühende Rose bestellt, die im Katalog auch so aussah. Dass von fünf verschieden farbigen, bestellten und gelieferten Pflanzen ausgerechnet die so sehr ersehnte kein Beschriftungsschild um den Hals hatte, machte mich ja gleich etwas stutzig. Aber ich glaubte an das Gute im Menschen. Natürlich kam es, wie es kommen musste.

Sie blühte.

ROT

Ein edles Rot. Genau so edelrot, wie die Edelrote davor. Schwarz ist nur die Erde in der sie steht. Schade! Also musste ich, wie eigentlich bei jeder Lieferung des Gartenversandhauses, das immer BALD und nUR gute Ware liefert, reklamieren. Ich war gespannt, was geschehen sollte. Ausbuddeln, zurückschicken, schwarze Rose bekommen? Nein! Viel einfacher: „Es tut uns Leid, dass diese Rose nicht so aussieht, wie im Katalog. Sie bekommen von uns einen Gutschein über die Hälfte des Kaufpreises, den Sie bei Ihrer nächsten Bestellung bei uns (und natürlich nur bei uns), dem Gartenversandhaus das immer BALD und nUR gute Ware liefert, einlösen können. Wir freuen uns auf Ihren Besuch auf unserer Homepage. Schauen Sie schnell mal wieder rein. Mit freundlichen…“. Wenn ich mein E-Mail-Postfach leere, muss ich aufpassen, dass ich diese Nachricht nicht aus Versehen mit lösche, da als Anhang der Gutschein mit geschickt wurde.

Ja das Gartenversandhaus das immerBALD und nUR gute Ware liefert, hat mir auch schon mal statt drei Lavendelpflanzen fünf Erdbeerpflanzen geschickt. Und einmal kam in dem einen Blumentopf nicht nur eine ehemalige Pflanze an, sondern auch der gefräßige Verursacher des Pflanzentodes: Eine größe Nacktschnecke. Beim Auspacken erschrak ich, weil ich dachte, es sei eine fleischfressende Pflanze, die Figurprobleme hat, dabei war es umgekehrt. Für diesen Fall durfte ich die Schnecke ohne zu bezahlen behalten. Aber da sieht man , dass es nicht immer stimmt, dass ein Gartenversandhaus, dass immer BALD und nUR gute Ware liefert, immer BALD und nUR gute Ware liefert.

Wir waren bei Tomaten, beim Mitbringsel.

„Tu, was ich dich fragen wollte…“ Rundumblick.

„Was denn?“

„Tja, tu, was ich dich fragen wollte, könnten wir in der nächsten Woche Grünschnitt von mir zum Wertstoffhof bringen???“
“ Jooaa, könnten wir am Montag machen.“
„Neiiiinnnnn!Montags ist zu voll.“

Nun muss man dazu bemerken, dass er seit ewigen Zeiten nicht mehr berufstätig ist. Zeit spielt also keine Rolle.

Bei Ihm!

Also gut, mal sehen.

Wie aber der Zufall das will, kam etwas, was nicht abzusehen war und Arbeit genannt wird, wodurch nur dieser Montag für mich in Frage kam.

Widerwillig belud er mein Auto und setzte sich neben mich. Kaum ein Wort kam über seine Lippen. Im Geiste sah er sicher den Wertstoffhof vor sich. Dreißig Kubikmeter große Container im Kreis, nur einer davon für Gartenabfälle bestimmt, schon so weit gefüllt, dass sich ein großer Berg gebildet hatte und man annahm, dass der Deckel nicht mehr geschlossen werden könnte. Eine lange Autoschlange fast unbeweglich in Richtung dieses Containers. Nur langsam bewegt sich ein Auto nach dem anderen weiter, im Rythmus der abfahrendenn, vom Gartenheckenschnitt geräumten Fahrzeugen. Es ist so weit. Nichts geht mehr!

Stillstand!

Der Deckel wird geschlossen. Das Tor an der Einfahrt wird geschlossen. Nur die Uhr geht weiter. Ein großes Auto bringt einen leeren Behälter. Abladen, vollen Behälter aufladen, zur Seite, abladen. Neuen Container aufladen, an Endposition abladen. Vollen Behälter aufladen und Abfahrt. Die Uhr geht weiter. Zwanzig Minuten um. Die Autoschlange immer noch genau so lang, wie gehabt. Das Tor öffnet sich. Weiter. Endlich dran. Ausladen, Metalltreppe hoch, ausschütten, runter. Fertig, Abfahrt!
Endlich!

Die Wirklichkeit war anders. Die Einfahrt des Wertstoffhofes liegt hinter einer Rechtskurve. Biegt man in diese Straße ein und sieht ein paar Rücklichter, ist es ungefähr so, wie oben beschrieben. Ohne Rücklichter kann man freier Atmen. Fährt man durch die Rechtskurve und sieht immer noch keine Rücklichter, kann man tief durchatmen. Dann ist man auf der Gewinnerseite. Und an diesem Montag standen wir auf dem Siegerpodest ganz, ganz oben. Kein Warten, leerer Container. Ausladen und abfahren!

Wahnsinn!

Mein Beifahrer sprach auf dem Rückweg gar nicht. Er hat nicht mal gelabert.

Zur Zeit wird zwischen uns gar nicht mehr gelabert. Wir sind gegensätzlicher Meinungen, um das Wort „Streit“ zu vermeiden. Er grüßt nicht mal mehr.

Dass das mal so kommt, hätt ich nicht gedacht.