Einschulung

Ich weiß nicht, wie es bei anderen Familien so lang geht, wenn besondere Ereignisse anstehen. Es wird sicher bei jeder etwas anders sein, aber im Grunde wird sich alles irgendwie ähneln.

Bei unserer näheren Verwandtschaft war es nun so weit, unsere Enkelin einzuschulen. Dieses Thema beschäftigt natürlich die Frauenwelt ganz besonders. Und nicht nur besonders, nein auch besonders lang. Ich weiß gar nicht, wie lange das schon her ist, dass dieses in weiter Ferne liegende Ereignis, zum ersten Mal erwähnt wurde und ich es einfach zur Kenntnis nahm. Ich stimme ja der Frauenwelt zu, wenn sie meint, der Termin ist schneller da, als man denkt. Aber es muss sich doch nicht gleich alles überschlagen. Wenn ich von so einem Ereignis erfahre, mache ich mir nicht gleich ernsthafte Sorgen, was ich dann anziehe und was ich schenken soll. Erst mal ändert sich beides bis dahin sowieso noch einige Male. Und passen tut es auch nicht mehr.

Jedenfalls war es nun soweit. Unsere „kleine“ Nichte ist jetzt ein „großes“ Mädchen. Der Kindergarten ist abgehakt. Ein großer Schritt wird gemacht. Ein neuer, schwieriger Meilenstein muss angesteuert werden. Ist nicht für jeden so einfach, für manche gar nicht zu bewältigen. Wir drücken „unserer Kleinen“ die Daumen. Hoffen wir, es erleben zu können, dass alles gut und mit Freude zu Ende gebracht wird.

Ja, das war nun was, das sicher jeder so sieht, der mit solch einem Ereignis konfrontiert wird.

Der Termin zur Einschulung war der Samstag. Natürlich. Nun ist es ja so, dass ein Ereignis selten alleine kommt. Am Freitag vor dem Samstag hat die Uroma des am Samstag einzuschulenden Kindes Geburtstag. Sie feiert diese schon über 80 mal. Schön, nicht wahr?

Also wurde die ganze Familie von ihr eingeladen. Es ging in den „Bayrischen Krug“, der uns Sachsen- Anhaltiner, seinem Namen entsprechend, blau-weiße Tischtücher und unter anderen Bayrische Spezialitäten präsentiert. Mein Schwager und ich überlegten wieder lange, ob wir dasselbe oder das gleiche essen, wie Ostern, bis er sich schließlich für Argentinien entschied. Meine Wahl fiel wieder auf Haxe.  Wäre eine gute Wahl gewesen, wenn… , ja wenn ich nur eine halbe genommen hätte, wie sie auch angeboten wurde. Aber, da mein Magen in diesem Jahr doch irgendwie aufnahmefähiger ist, als die Jahre davor (warum, weshalb und wieso, in einer eigenen dafür vorgesehenen, in geistiger Vorbereitung befindlichen HP, deren Adresse zu gegebener Zeit hier verlinkt wird) und nicht nur das, nein auch das andere Auge mit essen wollte,  bestellte ich eine ganze Haxe.

Ich schaffte es nicht. Der Magen drückte auf die Herzspitze und die linke Schulter, so wie es bei diesen Situationen immer bei mir ist.

„Na, einen zur Verdauung?“

Gut, dass ich sowieso keinen trinken wollte und durfte, es hätte einfach nicht mehr rein gepasst. Nach ein paar Schweiß treibenden, weil auf kleinste Lautstärke reduzierte und hinter vorgehaltener Hand ganz leisen, sogenannten Bäuerchen, konnte ich noch eine kleine Cola in mich hineinbekommen und dann war Schluss. Man lockte mich auch noch mit Eis. Ich lehnte ab. Stammleser wissen, was das bedeutet. Aber es ging nicht mehr.

Bevor diese Feierstunden (sprich: Essenstunden im Familienkreis) zu Ende gingen, wurde an der Frauentischseite besprochen, wann, wer, wo am nächsten Tag sein soll. Alles klar, Abfahrt.

Der nächste Tag war schneller da, als man wollte. Aufstehen, Morgentoilette und die wichtigste Mahlzeit des Tages einnehmen. Und nun ging es los mit den Klamotten. Erstaunlicherweise dauerte meine Anprobe durch die,  in den letzten Monaten eingetretene, Veränderungen meiner Figur, am längsten. Da ich fast meine ganze Garderobe im Garten habe, putzte ich sogar ein paar geschlossenen Schuhe, was ich eigentlich erst zum nächsten Winter vor hatte. Das passiert so selten, wie ich kein Eis esse. Dann ging es los. Wir waren zu einer zeit bestellt, in der die neuen Schulkinder ihre erste Schulstunde ohne Anhang verbringen. Wer Hardware mit hatte, ließ Videos und Fotos „en gros“(?) entstehen. Schon lange verlorengeglaubten Video- und Digitalkameras ist wieder Leben eingehaucht wurden, um diese für die Kinder so wichtige Ereignis für die Ewigkeit fest zu halten. Hauptsache sie denken in ein paar Jahren daran neue Kopien herzustellen, um Datenverlust zu vermeiden. Ich hatte nichts von diesen Dingen mitgenommen und konnte so mehr sehen als die Kameramänner und –Frauen. Meine Frau hatte angeboten mir ihre, nun endlich von der Reparatur zurück bekommene Digitalkamera, bei Bedarf mal zu benutzen, aber ich hatte keine Chance. Also konnte ich in Ruhe gucken und mich  mit meinem kleinen Enkel beschäftigen. Hat mir wieder Spaß gemacht.

Plötzlich kommt Bewegung in den Menschenhaufen. Es wird der Unterrichtsschluss der ersten Stunde der Kinder der „Klasse 1A“ angekündigt. Die versammelte Gesellschaft der Angehörigen und Bekannten  der Mitglieder der „Klasse 1A“ stürzt in Richtung Eingangstür. Jeder will Erster sein, um seinen Liebling  in die Arme zu schließen, zu gratulieren und die Schultüte zu übergeben. Es dauert eine Weile bevor die Eingangszone wieder frei ist und das Blitzlichtblau in der Atmosphäre verschwindet. Die unzähligen mitgebrachten Schultüten werden jeweils an die Gratulanten zum Tragen zurückgegeben, damit das Kind mit der Haupttüte abseits des Trubels mit Papa und Mama auf die SD/SDHD und DVD´s gebannt werden können. Köpfchen schräg, Köpfchen hoch, Köpfchen runter, Tüte runter, Tüte hoch, Tüte schräg. Genug! Abmarsch.

Es beginnt die zweite Runde. „Klasse 1B“ ist dran. Die gleiche Prozedur. Abmarsch.